Innenminister (FPÖ) übt Zensur aus


Wenn ein Staat Informationskontrolle betreibt, um die Verbreitung unerwünschter Inhalte zu unterdrücken, dann nennt man das Zensur.  Dem Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ könnte das zum Vorwurf gemacht werden, wenn nachstehendes internes Papier tatsächlich einen Wahrheitsgehalt haben sollte.

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Quelle: Standard

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Kritische Medien:
Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (z.B. Standard, Falter), sowie neuerdings auch seitens des Kuriers, eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben. Mittlerweile zählen keine Fakten und Erklärungen mehr, bzw. werden diese einfach ignoriert, da der jeweilige Artikel jedenfalls negativ wird, wie zahlreiche Artikel in jüngster  Vergangenheit zeigen. Ich darf daher bitten, bei Anfragen besonders Bedacht zu nehmen und die Auswirkungen mitzubedenken. Anfragen  betreffend Ausbildung und andere Themen,die nicht nur euch betreffen können – hier werden wir auch gerne gegeneinander ausgespielt und die Anfrage mehrfach geschickt bitte CC an mich zu schicken, sodass eine einheitliche Antwort erfolgen kann und wir uns nicht  gegenseitig konterkarieren. Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen, es sei denn, ihr seht darin einen echten Mehrwert, bzw. die Möglichkeit einer neutralen oder gar positiven Berichterstattung.

Unterfertigt ist das Email im Namen des Innenministers Herbert Kickl.

Anmerkung der Redaktion: Herbert Kickl (FPÖ) bestreitet allerdings, diese Aussendung in Auftrag gegeben zu haben und schiebt vielmehr die Schuld an den BMI-Ressortsprecher Christoph Pölzl ab.

In der extrem verspäteten Stellungnahme des BMI heißt es auszugsweise:

„Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich übrigens auch anhand der aktuellen Berichterstattung: Bereits durch die Betitelung (Kurier: „GeheimpapierKickls brisante Medienkontrolle“; Standard: „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“) wird eindeutig der Eindruck erweckt, diese Empfehlungen würden persönlich vom Innenminister stammen und/oder seien zumindest in seinem Auftrag geschrieben worden. Tatsächlich war der Innenminister weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung  – ebenso wenig wie Mitglieder aus dem Kabinett des BMI.“

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Und noch eine brisante Information

Bis heute halten sich in der Polizei außerdem Gerüchte, wonach im nächste Jahr eine Polizeireform stattfinden werde. Dabei, so vermuten manche, könnten auch die neun Landespolizeidirektionen neu aufgestellt werden – vielleicht auch die Pressestellen.

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Der Standard

Innenministerium beschränkt Infos für „kritische Medien“

24. September 2018, 18:00 

Eine Mail aus dem Innenministerium sorgt für Aufregung. „Kritische Medien“ sollen kurz gehalten, Sexualdelikte prominent kommuniziert werden 

Wien – Das Innenministerium (BMI) unter Ressortchef Herbert Kickl (FPÖ) ändert seinen Umgang mit den Medien und seine Veröffentlichungspolitik. Darauf lässt eine vierseitige Mail schließen, die jüngst aus dem Haus in der Herrengasse an die Kommunikationschefs der Landespolizeidirektionen ergangen ist. „Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (zum Beispiel STANDARD, „Falter“) sowie neuerdings auch seitens des „Kuriers“ eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei betrieben“, wird in dem Schreiben, das dem STANDARD und dem „Kurier“ über mehrere Stationen zugespielt wurde und dessen Authentizität von mehreren Beamten bestätigt wurde, gewarnt. Und auch eine Anregung für die Zusammenarbeit mit den genannten Zeitungen wird gleich mitgeliefert: „Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen …“

Aus Sicht des Innenministeriums gibt es aber glücklicherweise auch Medien, die sich kooperationsbereit zeigen. Der Sender ATV wird ab Jänner eine sechsteilige Serie mit dem Arbeitstitel „Live PD“ starten, in der der Polizeialltag begleitet werden soll. Nach unabhängigem Journalismus hört sich das in der BMI-Mail allerdings nicht an: „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

Von den Polizeipressestellen seit vergangener Woche bereits umgesetzt wird ein anderer Wunsch des Ministeriums: Die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen werden jetzt in Aussendungen explizit genannt. „Dies vor dem Hintergrund einer größtmöglichen Transparenz sowie eines vorhandenen berechtigten Interesses seitens der Bevölkerung beziehungsweise der Medien“, lautet die Begründung für diesen Kurswechsel.

Justizressort ist zurückhaltender

Im Justizministerium sieht man das anders. Im seit 1. August 2014 gültigen Medienerlass findet sich nämlich die Passage: „Bei der Informationserteilung soll auf die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe oder auf persönliche Merkmale (Hautfarbe et cetera) nur hingewiesen werden, wenn dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs unbedingt notwendig ist.“

Ein pikantes Detail: Erst im Juli nahm bei der Landespolizeidirektion Wien ein von Polizeipräsident Gerhard Pürstl eingesetzter Fachzirkel, an dem auch DER STANDARD teilnimmt, die Arbeit auf, der Richtlinien für menschenrechtskonforme Presseaussendungen der Polizei erarbeiten soll. Trotz des Gegenwindes aus dem Ministerium soll der Fachzirkel aber fortgesetzt werden, ist zu hören.

Noch etwas ist dem Innenministerium offenbar wichtig: Sexualdelikte sollen verstärkt kommuniziert werden. Der Absender der Mail bittet, „vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht, auch proaktiv auszusenden“.

Opferschutz bei Sexualdelikten bisher im Vordergrund

Die Bitte mutet seltsam an, denn schon bisher war es Usus, dass geschlechtliche Nötigungen oder Vergewaltigungen durch unbekannte Täter entsprechend kommuniziert worden sind. War der Täter bekannt, gab man bei der Polizei aber dem Opferschutz Vorrang und wollte eine Retraumatisierung des Opfers durch breitflächige Berichterstattung verhindern. Eine Bitte an Kickls Kabinett um eine Stellungnahme des Innenministers zu diesem Papier wurde zunächst nicht erfüllt. (Michael Möseneder, 24.9.2018)

Quelle: https://derstandard.at/2000087988184/Innenministerium-beschraenkt-Infos-fuer-kritische-Medien 

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ORF

24. September 2018

Umgang mit „kritischen Medien“

E-Mail aus Innenministerium sorgt für Wirbel

Das Innenministerium unter Minister Herbert Kickl (FPÖ) will offenbar seinen Umgang mit Medien ändern. Hinweise dafür liefern „Kurier“ und „Standard“ mittels brisanter Auszüge aus einer E-Mail, die vom Ministerbüro an Pressestellen der Landespolizeidirektionen erging. Das Innenministerium spricht in einer ersten Reaktion von „Anregungen und Kommentaren ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter“.

In dem vierseitigen Schreiben werden die Landespolizeidirektionen „angeregt“, die Kommunikation mit „kritischen Medien“ auf „das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“. Weiter heißt es: „Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (zum Beispiel ‚Standard‘, ‚Falter‘) sowie neuerdings auch seitens des ‚Kuriers‘ eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei betrieben“.

Keine „Zuckerln“ mehr

Das Schreiben sei den beiden Medien „über mehrere Stationen“ („Standard“) bzw. über Mittelsmänner (so heißt es beim „Kurier“) zugespielt worden. Gleichermaßen berichten die Medien, dass die Authentizität der Zuschrift von mehreren Beamten bestätigt worden sei. Neben dem Beschränken der Kommunikation auf das Nötigste wird den Pressestellen zudem geraten, den genannten Medien „nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen (…)“.

„Themen im Studio von uns bestimmt“

Dagegen soll, so legen es die Auszüge nahe, mit jenen zusammengearbeitet werden, die sich – so schreiben „Standard“ und „Kurier“ – „kooperationsbereit“ zeigen. In der Mail ist von „neutraler oder positiver Berichterstattung“ die Rede. Ins Treffen geführt wird eine ab Jänner geplante Serie des TV-Senders ATV mit dem Arbeitstitel „Live PD“, in der Seherinnen und Sehern der Polizeialltag nähergebracht werden soll.

Auch dazu findet sich nach Angaben der beiden Medien eine Passage im E-Mail – und zwar zum Ablauf der Zusammenarbeit in solcherart Fällen: „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

Sexualdelikte und Staatsbürgerschaft

Es soll aber den Angaben zufolge auch noch andere Änderungen geben: Künftig sollen – so heißt es in der E-Mail – die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen in Presseaussendungen der Polizei explizit genannt werden. Auch Sexualdelikte sollen verstärkt kommuniziert werden. „Dies vor dem Hintergrund einer größtmöglichen Transparenz sowie eines vorhandenen berechtigten Interesses seitens der Bevölkerung beziehungsweise der Medien“, lautet die Begründung nach Angaben des „Standard“.

Der Absender der E-Mail bittet, „vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht, auch proaktiv auszusenden“.

„Anregungen ohne jeden Weisungscharakter“

Das Innenministerium reagierte am Abend mittels einer Aussendung: „Bei dem (…) Schreiben handelt es sich um ein Mail des BMI-Ressortsprechers (Christoph Pölzl, Anm.) an die Kommunikationsverant-wortlichen in den neun Landespolizeidirektionen.“

„In diesem Mail werden zahlreiche aktuelle Themen angesprochen. Es handelt sich dabei um Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter“, hieß es einleitend. Kickl sei „weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung“, auch nicht sein Kabinett, hieß es in der Aussendung – das Vorgehen wurde mit „Voreingenommenheit“ von „Kurier“ und „Standard“verteidigt.

„Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist“, zeige sich an der aktuellen Berichterstattung, hieß es. So werde durch die Betitelung im „Kurier“ („Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle“) und im „Standard“ („Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“) der Eindruck erweckt, die Empfehlungen kämen vom Minister oder seien in seinem Auftrag geschrieben worden.

„Einheitlicherer Auftritt“

Weiter heiß es: „Dem Schreiben wohnt in vielen Passagen die Absicht inne, einen einheitlicheren Auftritt der Polizei und des Innenministeriums in bestimmten Bereichen der Medienarbeit anzuregen. Insbesondere die Erläuterungen zur Nennung der Nationalität ausländischer Tatverdächtiger und zur Information über Sexualverbrechen fußen auf teils bisher sehr unterschiedlichem Umgang in den Landespolizeidirektionen“.

Ziel der diesbezüglichen Empfehlungen sei es, „dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf umfassende und klare Information im Sinne größtmöglicher Transparenz Rechnung zu tragen. Ausdrücklich wird in diesen Zusammenhängen in dem Schreiben auf die Rechtslage verwiesen.“

Basierend „auf jahrelangen Erfahrungen“

Auch die Passage zur Einschränkung der Arbeit mit bestimmten Medien wird kommentiert: „Was den besonders achtsamen Umgang mit den erwähnten Medien betrifft, so basieren die Erläuterungen auf teils jahrelangen Erfahrungen vieler Kommunikationsmitarbeiter im BMI.“

Weiter heißt es: „Selbstverständlich ist es das Recht und sogar die Pflicht aller Medien, die Arbeit der Polizei, des Innenministeriums und auch des Innenministers kritisch zu beleuchten. Doch es ist ebenso das Recht von Kommunikationsmitarbeitern, sich angesichts der von ihnen gegebenen Informationen und der daraus resultierenden Berichterstattung ein Bild zu machen und daraus qualitative Schlüsse zu ziehen.“

Links:

Quelle: https://orf.at/stories/3032702/

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Kurier

24. September 2018

Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle

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Herbert Kickl   (Bild © Uwe Sailer)

Kickls Propaganda kommt durcheinander. Der Meister der politischen Reime ist ungeeignet, ein so sensibles Ministerium zu führen  © Helmut Brandstätter

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Propaganda-TV-Serie, mehr Fokus auf Herkunft der Täter und auf Sexualdelikte, Infosperren für „kritische Medien“.

Das Mail aus dem Innenministerium, das vergangene Woche an die Polizei-Pressestellen in neun Bundesländern ging, ist offenbar derartig brisant, dass selbst manche hochrangige Polizisten dessen Existenz verleugnen. Die darin enthaltenden „Anregungen“ für das gesamte Ressort von Herbert Kickl (FPÖ) haben es in sich: Propagandafilme für die Polizei, eine Art Informationssperre für drei (namentlich genannte) Medien sowie die Nennung von Herkunft und Asylstatus in offiziellen Aussendungen.

Das Schreiben wurde KURIER und Standard über Mittelsmänner zugespielt, mehrere Beamte bestätigen die Echtheit des Mails. In dem Schreiben aus dem Ministerbüro heißt es etwa: „Künftig darf ich darum ersuchen, die Staatsbürgerschaft eines mutmaßlichen Täters in euren Aussendungen zu benennen (…) Außerdem gegebenenfalls bei einem Fremden dessen Aufenthaltsstatus bzw. ob es sich um einen Asylwerber handelt (…) ich ersuche auch, diese Sprachregelung in Interviews umzusetzen.“ Die Nennung der Täterherkunft bei Verbrechen wurde auf rechten Internetseiten massiv gefordert.

„Kritische Medien“

Geregelt wird in dem Mail des Ministeriums auch der Umgang mit „kritischen Medien“. Als diese werden der KURIER, der Standard und der Falter identifiziert. Mit diesen müsse die Kommunikation „auf das nötigste Maß beschränkt“ werden, weil sie angeblich „einseitig“ und „negativ“ berichten. Beispiele werden nicht genannt, im Fall des KURIER gibt es diesbezüglich auch keinen Bericht, in dem Unrichtiges festgestellt worden wäre.

Begleitungen zu Reportagen mit Beamten etwa seien nicht mehr zu ermöglichen, außer es wäre eine „neutrale oder positive Berichterstattung“ im Vorfeld garantiert. Diese bietet offenbar die neue Serie „Live PD“, die ab Ende 2018 auf ATV jeden Samstag ausgestrahlt wird – dort gibt es entsprechende Rahmenbedingungen. „Jede Folge wird (vom Ressort, Anm.) abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Zusätzlich zu den polizeilichen Einsätzen kommt ein Studiogast des BMI oder der Polizei vor. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

Mit den „kritischen Medien“ ist das offenbar nicht so möglich, denn diese würden „Fakten und Erklärungen ignorieren“. Das Problem dabei: Viele Presseanfragen des KURIER, Angebote zu Interviews (mit der üblichen Autorisierung) oder Hintergrundgesprächen mit Personen des Ministeriums werden seit Monaten nicht oder im besten Fall abschlägig beantwortet. Ganz anders ist die Lage bei den im Mail angesprochenen Landes-Pressestellen, von denen alle Medien professionelle und rasche Antworten erhalten.

Acht Wochen Wartezeit

Auch von anderen Journalisten wurde zuletzt beklagt, dass sich das Innenministerium bei kritischen Anfragen auf das Informationsfreiheitsgesetz beruft. In diesem wird eine Frist von acht Wochen gesetzt, in der Anfragen beantwortet werden müssen. Tatsächlich heißt es dort aber auch, dass Anfragen „ohne Aufschub“ beantwortet werden müssen.

„Proaktiv“ sollen die Polizeibehörden hingegen künftig Sexualdelikte an die Medien ausschicken. „Vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden“ und die mit „erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen“ erfolgen, sollen demnach offensiv unter das Volk gebracht werden. Bisher hat die Polizei das aus Gründen des Opferschutzes nicht so gehandhabt, sondern nur dann, wenn nach einem flüchtigen Täter gefahndet wird. Außerdem könnte durch eine aktive Informationspolitik in diesem Fall eine Schieflage erzeugt werden. Denn über die (laut seriösen Studien) mehr als 90 Prozent der Vergewaltigungen im Privatbereich würde der Mantel des Schweigens gehüllt, aber jene wenigen Fälle im öffentlichen Raum so thematisiert werden.

Eine „Anregung“

Das Mail ist nicht in Erlassform verfasst, sondern als „Anregung“. Ein Polizist formuliert das so: „Mit solchen Mails wird man auch ins Innenministerium eingeladen. So eine Einladung lehnt man aber nur einmal ab.“ Bis heute halten sich in der Polizei außerdem Gerüchte, wonach im nächste Jahr eine Polizeireform stattfinden werde. Dabei, so vermuten manche, könnten auch die neun Landespolizeidirektionen neu aufgestellt werden – vielleicht auch die Pressestellen.

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„Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien“

Der KURIER hat das Innenministerium um eine Stellungnahme gebeten. Trotz Zusicherung einer Antwort blieb diese vorerst aus. Erst um 21.36 Uhr hat Alexander Marakovits, Leiter der Kommunikationsabteilung im BMI, eine Reaktion zur Berichterstattung im KURIER und im Standard ausgesendet (Die Aussendung im Wortlaut finden Sie hier). Und dabei wollte man diesen Medien eine Voreingenommenheit unterstellen, hat aber durch ein unfreiwilliges Hoppala offenbar die eigene Voreingenommenheit gegenüber diesen Zeitungen erklärt. Wörtlich heißt es nämlich:

„Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich übrigens auch anhand der aktuellen Berichterstattung: Bereits durch die Betitelung (Kurier: „GeheimpapierKickls brisante Medienkontrolle“; Standard: „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“) wird eindeutig der Eindruck erweckt, diese Empfehlungen würden persönlich vom Innenminister stammen und/oder seien zumindest in seinem Auftrag geschrieben worden. Tatsächlich war der Innenminister weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung  – ebenso wenig wie Mitglieder aus dem Kabinett des BMI.“

Weiter heißt es in der Aussendung:

„Gerade das Innenministerium ist an einer fairen Zusammenarbeit mit allen Medien höchst interessiert. Deshalb wird unter Verantwortung des Kommunikations-Abteilungsleiters des BMI und unter Einbindung der Kommunikationsverantwortlichen in den Landespolizeidirektionen in naher Zukunft eine neue Leitlinie für eine transparente Medienkommunikation erstellt. Diese wird den Journalistinnen und Journalisten selbstverständlich zur Verfügung gestellt werden.“

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OTS

24. September 2018

BMI

Stellungnahme zur aktuellen Berichterstattung über die Zusammenarbeit des BMI mit Medien

Wien (OTS) – Zur aktuellen Berichterstattung in „Kurier“ und „Standard“ nimmt das Bundesministerium für Inneres wie folgt Stellung:

Bei dem thematisierten Schreiben handelt es sich um ein Mail des BMI-Ressortsprechers an die Kommunikationsverantwortlichen in den neun Landespolizeidirektionen. In diesem Mail werden zahlreiche aktuelle Themen angesprochen. Es handelt sich dabei um Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter.

Dem Schreiben wohnt in vielen Passagen die Absicht inne, einen einheitlicheren Auftritt der Polizei und des Innenministeriums in bestimmten Bereichen der Medienarbeit anzuregen. Insbesondere die Erläuterungen zur Nennung der Nationalität ausländischer Tatverdächtiger und zur Information über Sexualverbrechen fußen auf teils bisher sehr unterschiedlichem Umgang in den Landespolizeidirektionen. Ziel der diesbezüglichen Empfehlungen ist es, dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf umfassende und klare Information im Sinne größtmöglicher Transparenz Rechnung zu tragen. Ausdrücklich wird in diesen Zusammenhängen in dem Schreiben auf die Rechtslage verwiesen.

Was den besonders achtsamen Umgang mit den erwähnten Medien betrifft, so basieren die Erläuterungen auf teils jahrelangen Erfahrungen vieler Kommunikationsmitarbeiter im BMI. Selbstverständlich ist es das Recht und sogar die Pflicht aller Medien, die Arbeit der Polizei, des Innenministeriums und auch des Innenministers kritisch zu beleuchten. Doch es ist ebenso das Recht von Kommunikationsmitarbeitern, sich angesichts der von ihnen gegebenen Informationen und der daraus resultierenden Berichterstattung ein Bild zu machen und daraus qualitative Schlüsse zu ziehen.

Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich übrigens auch anhand der aktuellen Berichterstattung: Bereits durch die Betitelung (Kurier: „Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle“; Standard: „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“) wird eindeutig der Eindruck erweckt, diese Empfehlungen würden persönlich vom Innenminister stammen und/oder seien zumindest in seinem Auftrag geschrieben worden. Tatsächlich war der Innenminister weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung  – ebenso wenig wie Mitglieder aus dem Kabinett des BMI.

Gerade das Innenministerium ist an einer fairen Zusammenarbeit mit allen Medien höchst interessiert. Deshalb wird unter Verantwortung des Kommunikations-Abteilungsleiters des BMI und unter Einbindung der Kommunikationsverantwortlichen in den Landespolizeidirektionen in naher Zukunft eine neue Leitlinie für eine transparente Medienkommunikation erstellt. Diese wird den Journalistinnen und Journalisten selbstverständlich zur Verfügung gestellt werden.

Rückfragen & Kontakt:

Bundesministerium für Inneres
Mag. Alexander Marakovits
Leiter der Kommunikationsabteilung
+43-1-53126-2344

Quelle: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180924_OTS0193/stellungnahme-zur-aktuellen-berichterstattung-ueber-die-zusammenarbeit-des-bmi-mit-medien

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Spiegel online

24.September 2018

Brisante E-Mail 

Österreichs Innenministerium will Info-Sperre für kritische Medien

Eine E-Mail des österreichischen Innenministeriums sorgt für Wirbel: Die Polizei wird angeregt, missliebigen Journalisten den Zugang zu Informationen einzuschränken. Gravierend sind auch Anweisungen zur Auskunft über Straftaten.

Wie hält es Österreichs Regierung mit der Pressefreiheit? Eine E-Mail aus dem Innenministerium verheißt nichts Gutes: Wer nämlich kritisch über das Ministerium, über Minister Herbert Kickl oder über die Polizei berichtet, soll künftig von Informationen abgeschnitten werden.

Das geht aus einer E-Mail hervor, die das Innenministerium (BMI) in Wien vergangene Woche an die Pressestellen der Polizeidirektionen in ganz Österreich verschickte, wie am Montag bekannt wurde. Darin werden die Beamten angehalten, Journalisten bestimmter Medien den Zugang zu Informationen einzuschränken. Es handelt sich um eine „Anregung“, nicht um eine Weisung.

„Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei betrieben“, heißt es in dem als geheim eingestuften Papier, in dem namentlich die Tageszeitungen „Standard“ und „Kurier“ sowie die Wiener Wochenzeitung „Falter“ genannt werden. Man erlaube sich „vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen“, schreibt das Ministerium weiter – außer es sei eine „neutrale oder gar positive Berichterstattung“ im Vorhinein garantiert.

„Imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit“

Wie sich das Ministerium dies vorstellt, geht aus dem Schreiben ebenfalls hervor. Als beispielhaft wird eine neue Serie mit dem Titel „Live PD“ erwähnt, die ab Januar 2019 auf dem Sender ATV ausgestrahlt wird, in dem der Polizeialltag gezeigt wird. „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung“, heißt es. Das scheint das neue Verständnis von Journalismus zu sein: Die Sendung sei „imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können“. Bei den „kritischen Medien“ sei das nicht möglich, denn diese würden „Fakten und Erklärungen ignorieren“.

 

Das Schreiben wurde dem „Standard“ und dem „Kurier“ zugespielt, mehrere Beamte bestätigen die Echtheit der E-Mail, auch gegenüber dem SPIEGEL.

In der E-Mail äußert das Ministerium auch den Wunsch gegenüber den Polizei-Pressestellen, künftig die Staatsbürgerschaft und den Aufenthaltsstatus von Verdächtigen in Pressemitteilungen zu erwähnen. „Dies vor dem Hintergrund einer größtmöglichen Transparenz sowie eines vorhandenen berechtigten Interesses seitens der Bevölkerung beziehungsweise der Medien“, heißt es darin. Tatsächlich wird die Nennung seit langem vor allem auf rechten Internetseiten gefordert.

Diese Vorgabe widerspricht nach Angaben des „Standard“ dem Medienerlass des österreichischen Justizministeriums. Dort heißt es: „Bei der Informationserteilung soll auf die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe oder auf persönliche Merkmale (Hautfarbe et cetera) nur hingewiesen werden, wenn dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs unbedingt notwendig ist.“

Eine weitere Vorgabe des Innenministeriums: Sexualdelikte sollen verstärkt via Pressemitteilung kommuniziert werden, „vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht“. Informationen zu solchen Taten seien „proaktiv auszusenden“.

Warnung vor „Orbanisierung“ des Landes

Rainer Schüller, Vize-Chefredakteur des „Standard“, sagte dem SPIEGEL, das Schreiben „aus einer Abteilung des Innenministeriums dokumentiert den sehr problematischen Umgang des Ressorts von Herbert Kickl mit der Medienfreiheit“. „Jeder Versuch der Einschränkung von kritischem Journalismus ist im Sinne von Pressefreiheit und Demokratie auf das Schärfste zu verurteilen.“

Am Montagabend nahm das Innenministerium Stellung zu der E-Mail, bei der es sich um das Schreiben des BMI-Ressortsprechers handele. Man wolle damit einen „einheitlicheren Auftritt der Polizei und des Innenministeriums in bestimmten Bereichen der Medienarbeit“ anregen.

Weiter heißt es: „Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist“ zeige sich anhand der aktuellen Berichterstattung über die E-Mail. Es werde der Eindruck erweckt, die Empfehlungen „würden persönlich vom Innenminister stammen und/oder seien zumindest in seinem Auftrag geschrieben worden.“ Dies sei aber nicht der Fall.

Herbert Kickl von der rechtspopulistischen FPÖ, bekannt für seine markigen Sprüche, ist seit Antritt der konservativ-rechtspopulistischen Regierung im Dezember 2017 Innenminister. Seither hat die FPÖ mehrfach Journalisten gedroht und es insbesondere auf den öffentlich-rechtlichen ORF abgesehen. Manche Beobachter warnen schon seit langem vor einer Einschränkung der Pressefreiheit in Österreich nach ungarischem Vorbild und sprechen von einer „Orbanisierung“ des Landes.

In der Kritik steht die Regierung auch, weil sie regelmäßig Anzeigen in rechtsextremistischen Blättern schaltet. Am Sonntag erregte das Innenministerium die Gemüter, weil es eine Anzeige in mehreren Zeitungen schaltete mit Tipps, wie die Bevölkerung sich im Falle eines Terroranschlags oder eines Amoklaufs verhalten solle. Kritiker sehen darin den Versuch, Ängste zu schüren.

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/oesterreich-brisante-e-mail-zur-medienfreiheit-aus-ministerium-von-herbert-kickl-a-1229843.html  

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