FPÖ, „John Otti Band“ und die NS-Musik

FPÖ und die „John Otti Band“

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Öffentliche wahlwerbende Auftritte der FPÖ werden musikalisch seit Jahren  von der „John Otti Band“ begleitet. Deren Konzerte sind  klar aufgebaut. Zum Einwiegen des Publikums beginnt die Band mit Liedern aus den Charts, z.B.  „Atemlos“ von Helene Fischer.   Diese sentimental weltschmerzlichen Lieder sind musikalisch charakterisiert durch  relativ einräumige Melodien, die auf Terzenstrukturen – also auf normalen Dreiklängen mit Grundton, dritten und fünften Ton – aufbauen und sich für den einheizenden Aufschwung mit Vorliebe der  Sexten bedienen. Diese auch als „volkstümliche Musik“ bezeichneten Schlager sprechen das Zielpublikum der FPÖ direkt an, vermittelt dieses Liedgut doch traditionelle Werte einer klassischen Rollenverteilung von Mann und Frau, sowie Heimatverbundenheit. Das Publikum nimmt dieses ritualisierte Auftreten positiv wahr, flüchtet sich in eine rückwärtsgewandte Zeit, wo alles noch in Ordnung schien und  erfährt damit eine subjektive Stressbewältigung gegenüber einer Welt, in der Globalisierung und Ungewissheit die Zukunft prägen.

Zwischen den Charts heizt die Band das Publikum mit „Strache! Strache!“-Rufen an.  Die Trivial- oder Populärmusik  wird zusätzlich bewusst mit sakralen Rufen nach dem Erlöser vermischt und atmosphärisch so gesteigert,  dass die Grenzen zum  Irrealen und Mystischen  verschwimmen. Damit wird erreicht, dass die Figur Strache gleichsam durch den Raum schwebt, egal ob diese real oder doch nur als Bühnenfigur präsent ist.

Abgerundet werden die blauen Auftritte öffentlichkeitswirksam mit dem neuen Wahlkampfsong, triefend vor Pathos und überhöhtem Selbstbewusstsein.  Das so in Ekstase geratene Publikum agiert gleichsam als Staubsauger und nimmt die aufgeladenen Partikeln  wie ein Überlebenselexier begierig auf. Die Massensuggestion  beginnt zu wirken.

Wer nun glaubt, dass diese Art von Publikumsvereinnahmung eine Erfindung der FPÖ ist, der irrt.  Das Drehbuch für Demagogie und atmosphärische Höhenflüge, Massensuggestion und liedgutwirksame  Beschallungen  wurde bereits von den Vorläufern der Nationalsozialisten erkannt. Die Nazis perfektionierten nur die Wirksamkeit der Suggestion und die FPÖ setzt sie heute wieder ein.

 

Nationalsozialismus, Musik und FPÖ

Unter dem Motto „ein Ton verbinde alle“ fanden viele zur damaligen Zeit die  Volksliedkonzeption Herders greifbar nahe. Die Nationalsozialisten befüllten vor allem den Aufbruch der Jugendbewegung mit allem was im Liedgut Glücksgefühle auslöste und sich zur  Erfüllung anbot. Das Naturverbundene, Reine, die zu gemeinsamer Lebensgestaltung drängenden Kräfte verstanden sich als Aufbruch einer neuen Bewegung, offen für Gedanken des Volkstums, der Lebenserneuerung durch edle, volksverbundene Kunst, für eine autoritäre Führung und irgendeiner Ordnungsidee mit Rückgriff auf nationale Symbole. Das Eingebettetsein in einer gleichgesinnten Masse wirkte  im Ummanteltsein mit Tönen beruhigend, feierlich, ein Angenommensein, verstärkend , fröhlich, aufbauend und entstressend, zumindest für die Dauer des Aufenthaltes jedes  Einzelnen in seiner Echokammer. Der Blick wird gerichtet in eine bessere Zukunft, in eine Zukunft der Jugend und der Jungbrunnen, er wird gerichtet auf Verteidigung scheinbarer Volkswerte,  auf  Sicherheit, aber auch auf  militärische Stärke und Überlegenheit, um so eben gegen jene vorgehen zu können, die einem das Glücklichsein letztlich als Verräter rauben wollen. Nicht nur mit Ochsenziemer und Maschinenpistole wurde der Weg in eine inhumane, rassistische und kriegerische Welt damals geebnet, sondern auch mit Volkslied und Blockflöte.

„Über allem steht das Reich“, oder mit heutiger Codierung ausgedrückt „Wir sind das Volk“, das Volk, das zum Sturm gegen die da oben bereit gemacht wird, ein Volk, das Gemeinschaft darstellt unter Zurückdrängung des Individuums. Wie stark diese Vorstellungen  im NS-Liedgut eingebettet  und durchkomponiert wurden, zeigt sich am Beispiel des Liedes  „Ein junges Volks steht auf“.

Ein junges Volk steht auf

Es ist das Eröffnungslied des offiziellen HJ-Liederbuches und es war das Lied der Hitlerjugend. Komponiert und getextet wurde es von Werner Altendorf, dessen Spur sich noch während der NS-Herrschaft verloren hatte.  Dieses Lied zeigt grundlegende Aspekte der Gemeinschaftsideologie auf und ihrer Funktion in den „Zurichtungsorganisationen der Partei“.  Es zählte zu den meist gesungenen Kampfliedern der  „jungen Soldaten“. Auch für den  „Bund freier Jugend„, der von 2000 bis 2008  unter Stefan Magnet – dieser ist heute für die FPÖ-OÖ tätig und René Hönig,  vor allem in Oberösterreich sein Unwesen trieb, zählte es zur  beherrschenden musikalischen Umrahmung.

Obwohl das Lied einen eindeutigen Marschcharakter ausweist und in den Pausen der Strophen der Marschschritt hallt, ist dieses Lied vielmehr ideologisch betonter Teil  des nationalsozialistischen Kultes. Es ist zuständig für emotionale Disziplinierung der „jungen Soldaten“, die dem Massenmörder bei Aufmärschen „ewige Treue in die Ohren schrien“. Heute gefällt sich ein H.C. Strache in ähnlicher Rolle, wenn die „John Otti Band“ in mystisch verklärter Bierzeltatmosphäre das Publikum zum Strache-Plärren einpeitscht.

Das Schlüsselwort des Textes ist „jung„, interpretiert über den 3/8 Auftakt um nachfolgend in Viertelnoten die Worte „Volk“ und „Sturm“ einfrieren zu lassen.  Der Begriff „jung“ ist das Masterword, das nicht als Gegensatz zu alt zu verstehen ist, sondern als ns-spezifisches Ideologem des „Jungsein“.  Und jung ist, der sich jung fühlt, der sich kräftig fühlt und Schranken niederreißen will.  Der Text setzt fort mit „Treue“ und „Fahne“ alles ns-typische Substantiva, die auch heute wieder von der FPÖ unter H.C. Strache von jedem Individuum der „Volksanbeter“ verlangt werden.

Die „Volksgemeinschaft“ bildet in der zweiten Strophe den Mittelpunkt des Erstrebenswerten. Gemeint ist eine Volksgemeinschaft  nach Blutsbrüderart und deutscher Herkunft, in der sich die sozialen Schranken auf wunderbare Weise in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten auflösen. Argumente mit Appellation zur Vernunft, wie sie in der dritten Strophe zu finden sind, sind nur die „List des Feindes“, der „Altböse“, den es zu bekämpfen gilt. Die fehlende „Treue“ wird zum Verrat, öffnet diese doch Türen für Eindringlinge. Die Angst davor wird in nazistischer Verschärfung hochgradig elativiert.

Die Gefährlichkeit dieses Liedes liegt in seiner Verfügbarkeit für eine Vielzahl gesteuerter Aggressionen und für die Deformation zur massenmordenden Gefolgschaft, behütet und eingebettet in die rassistische,  natürlich nur deutsche Volksgemeinschaft.

Auf ähnlicher „John Otti-Wellenlänge“ bewegt sich auch der „Volks-Rock´N-Roller“ Andreas Gabalier, der von der FPÖ und deren Vasallen hochgejubelt wird.  Als Musiker derart gebrandmarkt, verengt sich natürlich – aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet – das Zielpublikum und das musikalische Euvre sowieso.  Ein ähnliches Phänomen zeigt sich übrigens auch bei der FPÖ.

Kritik daran wird in der Echokammer der „Wir-sind-das-Volk-Gemeinschaft“ sofort als Verrat gewertet und geschlossen gegen den scheinbaren Verräter gewettert. Fehlende Treue zur  „Gabalier-schen Volksgemeinschaft“ oder zur „John Otti Band“ findet ihre Beantwortung in Beschimpfungen von Heimattreuen – Marke FPÖ – und diejenigen, die auf Vernunft plädieren, werden als missliebige Intellektuelle in die Ecke namens Volksverräter gestellt. Was damals funktionierte, das funktioniert auch heute wieder, nicht nur bei uns.

Aber warum erkennt das keiner?

(k/sai)

 

 

 

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