Schuldspruch für Antifaschisten am Jahrestag brauner Morde

Rekonstruktion: Beitrag vom 23. Juli 2014
Vorgestern wurde in Wien der junge Antifaschist Josef S. wegen mehreren Straftaten, die er bei einer Demonstration gegen den rechtsextremen „Akademikerball“ begangen haben soll, zu einem Jahr Haft, davon acht Monate bedingt, verurteilt (nicht rechtskräftig). Im Laufe des Prozesses berichteten zahlreiche Medien, vor allem aus Josef S.‘ Heimatland Deutschland, über die äußerst fragwürdigen Methoden, die die österreichische Justiz im Umgang mit Josef an den Tag legte. So wurde etwa der (Gummi-)Paragraph des Landfriedensbruches, der in Österreich bis vor kurzem totes Recht war, gegen Josef bemüht. Der Beschuldigte wurde rund ein halbes Jahr in U-Haft gehalten, mit der dubiosen Begründung, es bestehe Tatwiederholungsgefahr. Das Urteil gegen Josef stützt sich auf die Aussage eines einzigen Polizeibeamten, der noch dazu anonym blieb. Dies sind nur einige Beispiele aus einer ganzen Reihe von Details, die Fragen über die Vorgangsweise der Justiz aufwerfen:

Will man die Teilnahme an antifaschistischen Demonstrationen kriminalisieren und Menschen davon abhalten, dass sie gegen Rechtsextremismus öffentlich ihre Meinung kundtun?

Das Urteil erging übrigens ausgerechnet am dritten Jahrestag des Massenmord-Anschlags des norwegischen Neonazis Anders B. Breivik. Dieser ermordete am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen, viele von ihnen waren TeilnehmerInnen eines Zeltlagers einer sozialdemokratischen Jugendorganisation. Und nicht „nur“ in Norwegen mordete am 22. Juli ein Neonazi. In den Nachtstunden des Mordanschlags von Breivik schoss im oberösterreichischen Traun der Rechtsextremist Johann Neumüller auf eine rumänische Familie. Zwei Personen wurden schwer verletzt, der 65-jährige Alecsandr H. starb am Tatort.  Der Leiter des Verfassungsschutzes, Peter Gridling, bemerkte in der Folge, er könne bei der Tat keinen politischen Hintergrund erkennen und sprach von einem „Nachbarschaftsstreit“.

Bedenkt man, mit welcher Härte und mit welchem Eifer antifaschistisch orientierte Menschen von der österreichischen Justiz verfolgt werden, erscheint der gleichzeitige Samthandschuh-Umgang mit Rechtsextremen (in Ried im Innkreis wurden in den letzten Wochen etwa zwei Rechtsextremisten trotz erwiesener Nazi-Sprüche freigesprochen) umso fataler.

 

p1240532_k

Add a Comment