„Coco Jill“, eine Hetzerin wird verurteilt.

Gastkommentar von Uwe Sailer aus dem Archiv 2014

„Coco Jill“: eine Gerichtsverhandlung von vielen, das Verhalten einer ganz normalen Hetzerin

Als ich vor dem Verhandlungssaal 254 im 2. Stock des Landesgerichtes Wr. Neustadt eintraf, saß sie schon da, die „Coco Jill“ mit bürgerlichem Namen Gertraude S. und wartete auf ihren Prozess. Im Oktober ist sie 63 Jahre alt geworden. Mich erkannte sie sofort, würdigte mich aber keines Blickes. Sie sah einfach durch mich durch.

Ich nahm schräg gegenüber von ihr Platz, in jener Sesselreihe, wo schon Medienvertreter warteten, die über den Prozess berichten wollten. „Ein schräger Sitzplatz“ lässt direkten Augenkontakt vermeiden und das Gesicht von Beschuldigten wahren. Ein kleiner Trick, um Spannungen zu vermeiden. „Coco“ fühlte sich alleine gelassen, auch ihr Anwalt verspätete sich. „Coco Jill“ ist eine kleine verbiesterte Frau. Ihr Gesicht ist mit Falten zerfurcht, die schmalen Lippen endeten in hängenden Mundwinkel. Auch der zarte Lippenstift konnte keine Freundlichkeit in ihr Gesicht zaubern. Trotz des Umstandes, dass sie gut gekleidet war, wirkte Ihr gesamter Ausdruck irgendwie explosiv, und die schmalen im Sonnenlicht funkelnden Augen vermittelten eine Anspannung, die am besten mit Geifern abgebaut hätte werden können. Geifern gegen mich, gegen das Gericht und natürlich gegen alles was irgendwie nach Ausländer riecht. Aber „Coco“ wusste, dass hier wäre der falsche Ort. Sie blieb ruhig, nestelte ein bisschen an ihrer bunten mit Pailletten besetzten Handtasche und saß. Sie ahnte dass sie heute verurteilt werde. Vielleicht könnte sie die Strafe ein wenig herunterhandeln, wenn sie genügend Einwände in ihre Verteidigung einbauen könne, vielleicht auch nicht.

Ihr Anwalt, Herr Mag. K., erschien, im schwarzen Anzug mit über den Bauch umgehängter Aktentasche mit dicken Lederriemen tänzelte zu ihr. Cocos Lichtblick. Wie vor Gerichtssälen so üblich, tuschelte auch Coco sofort mit ihrem Anwalt. Ihr Gesicht wirkte plötzlich entspannt, ja sogar heiter. Sie kramte aus ihren Akten Schriftstücke, die sie ihrem Rechtsanwalt vorlegte, als wären es rettende Trumpfe für das Verfahren. Mir kehrte Coco den Rücken zu, nur manchmal drehte sie sich leicht um und warf mir verächtliche Blicke zu. Ihr Anwalt war im Bilde. Hier sitzt er, der Verräter, den es nun gelte in der Verhandlung zu grillen, so der Tenor ihrer Körpersprache.

Die Richterin eine schlanke junge Dame und der Staatsanwalt der in Yad Vashem Zivildienst geleistet hatte eröffnen die Verhandlung. Ich als Zeuge betrete den Saal erst nach Aufruf. Zeugen dürfen einer Verhandlung bekanntlich erst beiwohnen, wenn sie ihrer Zeugenpflicht nachgekommen sind.

Der Verhandlungssaal 254 wirkt klein. Gerade mal 10 Sesseln standen bereit für das Publikum, die Hälfte davon leer, der Rest belegt mit Journalisten. Kellernazis oder FPÖ-Anhänger waren nicht gekommen. „Coco“ allein vor der Richterin im Zeugenstand. „Coco“ bemühte sich immer noch, die Richterin zu überzeugen, dass das doch alles nicht so war, wie es in der Anzeige und Anklage steht, sie habe doch nur in geschlossen Gruppen und Profilen gepostet und doch nie und nimmer auf ihrem eigenen Profil und alles nur aus Tierliebe heraus, doch niemals gegen Ausländer, Moslems oder Bosnier. Ja „Coco Jill, das war mein Profil“, gab sie dem Gericht zu verstehen, ehe sie den Zeugenstuhl für mich räumen musste.

Ich kenne Verfahren. Unzählige habe ich schon besucht und absolviert. Zuerst wird das Nationale abgefragt, ob man eh der sei der geladen wurde, ob Verwandtschaftsverhältnis bestehe, dann zur Wahrheit ermahnt, weil als Zeuge habe man die Wahrheit zu sagen und dann beginnt die Fragerei.

Zuerst die Richterin. Sie will wissen, ob die Postings von „Coco Jill“ auf ihrem Profil waren. Ich bejahte und füge hinzu auch eines wäre auf der Timeline von Y.S. und eines auf der Timeline von Werner L. gewesen. Die Richterin zeigte sich ob meiner Aussage erfreut das mit dieser Y.S. oder so und dem Werner L. wollte sie erst gar nicht wissen. Ihre Frage war gestellt, die Sache für sie klar.

Der Staatsanwalt wollte nur wissen, wie denn das so vor sich ginge, das Einschleichen mit einem Fake-Account bei Hetzpostern. Ich antwortete, dass das kein großes Problem darstelle. Hetzer fühlen sich anerkannt, wenn man ihre Hetze nicht verurteilt. Und wenn man genügend Hetzer als Freunde in seinem Profil hat – ich vermied das Wort FPÖ-Anhänger- laden diese Herrschaften einen schon ein. So auch geschehen bei „Coco Jill“.

Der Anwalt von Coco wollte mich „grillen“. So heißt das in der Umgangssprache bei Gericht, wenn der Zeuge zerlegt werden soll. Nur hatte Mag. K. nicht damit gerechnet, dass ein Profi vor ihm saß, sowohl in technischer Hinsicht, als auch mit seinen Erfahrungen. „Herr Zeuge“ hob K. an, meine Mandantin hat nur in geschlossenen Gruppen gepostet wie „Ja und Österreich“ oder wie diese Seite hieß und „Österreich zuerst“ oder so. Ich antwortete ihm, dass kann schon möglich sein, aber diese Gruppen stehen nicht zur Diskussion, weil ich mit Postings in diesem Zusammenhang keine Anzeige erstattet habe.

Plötzlich meldete sich die Richterin wieder zu Wort. „Wie Herr Zeuge“ zischelte sie zu mir hinüber, „soeben haben Sie gesagt, dass die Postings alle auf dem Profil von „Coco Jill“ waren, und nun wären sie doch woanders gewesen“. In solchen Fällen heißt es Ruhe bewahren. Solche Ungereimtheiten in Aussagen von Zeugen entwickeln sich immer dann, wenn das Gericht glaubt schon alles zu wissen und abblockt und die Verteidigung versucht den Zeugen unglaubwürdig zu machen und mit Verdrehungen in das Verfahren geht. Hier hilft immer nur eines. Zu jeder Frage das entsprechende Schriftstück vorlegen zu lassen und nie aus Erinnerung argumentieren. Mag. K. konnte keine Schriftstücke vorlegen. Aber die Richterin war hellhörig geworden und war nun offen dafür, jedes einzelne Posting zu erörtern. Das kostete Zeit, beseitigte aber alle Unklarheiten. Jedes Posting konnte ich klar definieren und zuordnen samt URL. Nur drei mussten ausgeschieden werden, weil für eine schlüssige Beurteilung ich in den Quelletext Einsicht hätte nehmen müssen. Ich hatte die Sicherungen aber nicht mitgenommen, wohl wissend, dass Gerichte immer die Haare aufstellen, wenn sie bei Verhandlungen kein Papier in der Hand halten können. Alles muss niedergeschrieben werden, aber Quelltexte mit Metadaten, Adresszeilen, IDs und Zuweisungen. Das übersteigt die Kompetenz eines Gerichtes.

Aber Mag. K. wollte nicht aufgeben und behauptete, dass ich die Unwahrheit sage. So krass hatte er es nicht formuliert, aber er meinte es so. Erst als ich ihm die URLs und Ausschnitte aus dem Quelltext vorhielt, war er ruhig. Er konnte mangels technischer Kenntnis nicht mehr argumentieren.

„Coco Jill“ wurde wieder in den Zeugenstand gerufen. Sie verwarf meine Aussagen augenblicklich , meinte sie stimmen nicht, sie habe immer nur in Bereichen gepostet, wo selbst Freunde nicht mitlesen konnten, schlichtweg, ich hätte der Richterin „Larifari“ erzählt. Ich muss dazu anführen, dass ich nach meiner Zeugenaussage als Kiebitz auf einem der leeren Stühle Platz genommen habe. Ich lächelte vielleicht etwas zu auffällig, als „Coco“ mich des „Larifaris“ bezichtigte. Die Richterin meinte zu mir, was ich zu Cocos Aussage zu sagen hätte. Ich trat also wieder in den Zeugenstand und entnahm meinem Akt den Screen eines Postings in dem Coco“ selbst gepostet hatte.

„Meine Einträge können nur „Freunde“ lesen“….. hier hockt eine miese Zecke in meiner Liste….. ich werde Dir draufkommen und dann fliegst Du… solche Typen mag ich im Leben nicht …hinterhältig und feige….“

Das war es, also doch Freunde die mitlesen können und das waren 573. Verhetzung verlangt nur nach 150 Personen, darüber hinaus ist Öffentlichkeit gegeben, auch wenn es „nur“ Freunde sind. Der Screen wurde zum Akt genommen, der Verteidiger fand keine Fragen mehr, das Beweisverfahren wurde geschlossen.

Die Richterin verurteilte „Coco Jill“ wegen Verhetzung nach § 283 , 1 und 2 StGB zu 5 Monaten bedingt auf 3 Jahre und zum Ersatz der Gerichtskosten (noch nicht rechtskräftig). Die Richterin hielt eine Geldstrafe für weniger zielführend, da die Beschuldigte über einen langen Zeitraum verhetzend tätig war und auch wegen der Schärfe ihrer Hetzpostings. Mildernd wirkte sich aus, dass die Beschuldigte einen ordentlichen Lebenswandel führte, keine strafrechtlichen Vormerkungen aufwies, ihr Geständnis, wenn auch verspätet. Die Aussagen vor der Polizei, wo Frau “Coco Jill” noch dagegen gehalten hatte und und ihre Aussagen im Internet auch noch bestärkte, werte die Richterin als Schutzbehauptung.

Drei Tatbestände wurden aus dem Verfahren ausgeschieden und werden extra verhandelt. Also Frau “Coco Jill” wird sich nochmal vor dem LG Wr. Neustadt verantworten müssen.
Wie bei Verurteilten üblich, die Stätte der Strafe hatte auch „Coco Jill“ im Turbotempo verlassen.
Staatsanwalt und Beschuldigte gaben keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

Update: 05. April 2016
Das Urteil ist schon lange rechtskräftig geworden. „Coco Jill“ hat nach längeren Rückzugskämpfen facebook mittlerweile endgültig den Rücken gekehrt.

weitere Infos (noch zu adaptieren)
http://www.HeimatOhneHass.at/2014/04/recherche-die-sich-lohnt.html
http://www.HeimatOhneHass.at/2014/01/und-wieder-mal-die-gruppe-fpo.html
http://www.HeimatOhneHass.at/2014/05/man-braucht-ja-nur-fragen.html

#Coco Jill
#Tina Gertraude Schenkermayer

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