Geheim-Code – Verurteilung


Bei einer „Corona“-Demo am 05. März 2022 in Mondsee zeigten Identitäre und Reichsbürger offen einen Banner mit der Aufschrift: „NOCH SITZT IHR DA OBEN…“
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Dieser Spruch lautet im Gesamttext:
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„Noch sitzt ihr da oben ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt dem Volke zum Spott, doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk, dann Gnade euch Gott.“
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Der Text wird gerne von Rechtsextremen gegen „die da oben“ benutzt und Theodor Körner zugeschrieben. Nun sollte es sich auch in der antidemokratischen Schwurblerszene der „Wahnmachler“ schön langsam herumgesprochen haben, dass diese Zuschreibung unrichtig ist.
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Der Text stammt von der NS-Autorin Renate Schütte. Es ist dies die erste Zeile der vierten Strophe eines Gedichtes mit dem Namen „Anklage“. Dieses Gedicht ist 1977 im Gedichtband „Der Wind schlägt um“ veröffentlicht worden und zwar vom Nationalsozialisten und Holocaustleugner Thies Christophersen in seiner Schriftreihe „Kritik – Die Stimme des Volkes“.
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Das Verwaltungsgericht hat nun völlig zu Recht erkannt, dass es sich dabei um rechtsextreme Ideologie handelt. Da das Verbotsgesetz in Erfüllung des Tatbestandes immer Vorsatz verlangt, ein derartiger Vorsatz bei den handelnden Personen aber nicht hinreichend nachgewiesen werden konnte, kam somit das EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008) zum Tragen.
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Die Textzeile „Noch sitzt ihr da oben“ ist ideologisch aufgeladen und steht für eine Art Code neonazistischen Gedankengutes, so das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser vergleicht die Textzeile mit „88“ oder „HH“ (Heil Hitler).
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Die beschuldigten Personen sind der Reichsbürgerszene und den Identitären zuzurechnen, womit sich der Kreis zum neonazistischen Gedankengut wieder schließt. Sie wurden jeweils mit € 250.- oder einer Ersatzfreiheitsstrafe von 38 Stunden bestraft.
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Eine Revision ist  nicht zulässig, das Urteil somit rechtskräftig. Siehe unten stehenden Link.
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Link
Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes OÖ v.05.12.2022
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Renate Schütte
Über die nationalsozialistische Volksdichtern ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Auch der recht extreme Internetauftritt  „metapedia“ weiß öffentlich nicht viel über sie zu berichten, außer dass die Gedichte der Volkstreuen in der „Bauernschaft“ abgedruckt wurden und nationale Liedermacher  wie Frank Renicke oder „Trotz der Lüge“ ihre Texte vertont haben. Besser bekannt ist die Texterin in nationalen und nationalsozialistischen Kreisen, doch diese schweigen öffentlich.
Das Heft „Die Bauernschaft“ war eine deutsche Publikation, die unter dem ehemaligen SS-Sonderführer  Thies Christophersen und später von Ernst Zündel herausgegeben wurde. Christophersen widmete sich den Themen Revision und Bauernstand. Beide Personen leugneten den Holocaust und wurden deshalb mehrmals verurteilt.  Das Heft erschien von 1969 bis 1996 und wurde danach eingestellt.
Im Jahr 1977 verlegte Thies Christophersen den Gedichtband „Der Wind schlägt um“ in der Schriftenreihe „Kritik, die Stimme des Volkes“ Ausgabe Nr. 43 mit Gedichten und Texten von Renate Schütte.  Der Kritik-Verlag hatte seinen Sitz in Mohrkirchen. Der mehrmals aufgelegte recht national orientierte Gedichtband enthält zwischen 32 und 157 Seiten mit Zeichnungen von Wilhelm Petersn, Sigrid Rothe und Georg Sluyterman von Langeweyde. 
Der abgewandelte Text  „Noch sitzt ihr da oben..“ wurde somit erstmals zwischen 1977 bzw. 1984 öffentlich verlegt.  Die letzten Zeilen des Gedichtes „Anklage“ lauten:
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„Heut sitzt ihr noch oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde gestützt und uns allen zum Spott. Doch einmal wird wieder Gerechtigkeit walten. Dann richtet das Vok, und dann gnade euch Gott!“
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Dieses vierstrophige Gedicht ist vereinfacht ausgedrückt, ein Loblied auf den Nationalsozialismus und eine Schmähung der Bundesrepublik Deutschland. Generell verherrlichte Schütte  die NS-Zeit, leugnete den Holocaust und nannte Hitler einen Mann, der nur den Frieden wollte.
Rechtsextremen Quellen unterschieben diesen leicht abgewandelten Text immer wieder Theodor Körner:
„Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk. Dann gnade Euch Gott!“
Der Literaturwissenschaftler Erhard Jöst trat dieser Zuschreibung vehement entgegen. Man findet sie weder in seinen Gedichten, noch Dramen oder Prosatexten, so der Wissenschaftler. Auch hatte Körner den damaligen Regenten nie gedroht.
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Der unterschobene Text wurde erstmals öffentlich im Jahr 1990 auf einer Holocaust-Veranstaltung im Müncher Löwenbräukeller vorgetragen. Das belegt eine youtube-Dokumentation aus dem Jahr 1991.
Wochenblick
Wochenblick (mittlerweile eingestellt) stellt diese Erkenntnisse noch immer in Frage und berichtet ziemlich ausweichend.
Links:
Lügen und ihre Widersacher  Hartmut Eggert/Janusz Golec 2004
Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Richard Stöss 1989
Wahrheit macht frei
#noch sitzt ihr da oben  #körner

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